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Rezension:Was aus der Depression hilft: Das Leben akzeptieren - Verantwortung übernehmen - Schritte wagen (Taschenbuch)

Der Sachbuchautor Holger Reiners hat lange Jahre unter schwersten Depressionen gelitten. In dem vorliegenden Buch befasst sich der Autor mit dieser Krankheit, aufgrund dieser sich jedes Jahr in Deutschland eine große Anzahl von Menschen das Leben nehmen.

Personen, die unter Depressionen leiden, sind Schlaflosigkeit, Antriebsarmut und Libidoverlust nicht fremd. Schlimmer als diese Phänomene der Krankheit allerdings, sind das schleichende Verblassen des Lebenselans mit einer wohl immer stärker werdenden Todessehnsucht. Für die Depression ist der Gemütszustand nicht nachlassender Trauer symptomatisch. Der Autor schreibt, es sei eine Traurigkeit ohne konkreten Anlass, ein das Leben zersetzendes Gefühl des Verlassenseins, des Allein- und Ausgeliefertseins. Keiner könne den depressiven Menschen aus seiner tränenlosen Traurigkeit befreien, "Kein freundliches Wort, keine dargebotene Perspektive, kein Geschenk." Unbestechlich sei die Traurigkeit in der Depression.


In den Augen des Verfassers handelt es sich bei dieser Krankheit um einen Tumor der Seele. Dass Menschen, die an Depressionen leiden, nicht sterben, sondern tot sein wollen, beschreibe die Dramatik der Krankheit in besonders plastischer Form, (vgl: S.33). Reiners sagt das sehr anschaulich: "Wer depressionsbedingt- nicht altersbedings!- jedwede Hoffnung aufgegeben hat, wer die Angst nicht mehr erträgt und sich in den gedanklichen Strudeln der Verzweiflung nicht mehr entziehen kann, will nicht sterben, er will tot sein."

Der Autor erläutert, was die Todesphantasien in der Depression bedeuten, analysiert die Todessehnsucht, an deren Beginn - ganz tief empfunden - einzig und allein die Aussicht auf Erlösung stünde. Von daher habe der Tod des Depressiven durch eigene Hand nur ein Motiv, die Erlösung von dem schmerzlosen Schmerz, der die Seele zerfresse, wie Krebs das gesunde Gewebe bei unerträglich körperlichem Schmerz.

Reiners wünscht sich, dass wir dem Seelenkrebs Depression mit den gleichen Maßstäben begegnen, wie allen anderen schweren Erkrankungen. Er zeigt in seinen Ausführungen, dass es eine Art von Kreativität gibt, die zu Selbstzerstörung führt. Sie stelle einen einsamen Akt dar, dem jeder konstruktive Impetus fehle. Man suche die Isolation, weil man die Welt um sich herum und sich selbst nicht mehr ertragen könne. Dies Phase der Krankheit sei eine Art von kreativer Selbstmontage. Man sei zu diesem Zeitpunkt sehr empfindlich. Es bedürfe der Rücksichtnahme seitens des Umfeldes. Reiners ist überzeugt, dass sich die Selbstzerstörungskräfte aufheben und neu zentrieren lassen, doch dazu bedürfe es nicht nur der Behandlung, sondern auch der Empathie, die "vorurteilsfrei, schnell und konsequent alle therapeutischen Mittel einsetzt, um den Kranken von seiner kreativen Selbstzerstörung abzuhalten".

Der Autor betont, dass die Behandlung einer Depression kein Wellnessprogramm der Seele sei, sondern einer Operation ähnele an einem lebenswichtigen Organ und er betont an einer anderen Stelle weiter, dass niemand im Umgang mit einem Menschen, der unter Depressionen leide, sich anmaßen solle zu wissen, was für den Kranken gut sei. Dies bleibe allein der Einschätzung der Psychiater und Psychologen überlassen. Viele Kranken bagatellisieren diese Krankheit und verbauen sich damit die Chance einer Heilung. Sport sei keine Therapie, aber er sei für Depressive dennoch sehr wichtig, dabei begründet er auch weshalb. Ferner thematisiert er im Zusammenhang mit der Depression Psychopharmaka, das Phänomen der Flucht in den Schlaf und ein weiteres Phänomen, dem er das Kapitel widmet " Wenn Angst den Willen zerfrist".

Interessant auch ist zu lesen, wie sich Depressive in ihrem Umfeld bewegen, für das der Autor hofft, dass es mitfühlend sei. Reiners unterstreicht, dass der Depressionsleidende die Regeln im Umgang mit anderen ebenso einhalten muss, wie seine Mitmenschen. Mit dem Rückzug der verständnislosen Angehörigen und der Schroffheit des Kranken sei niemand gedient, weiß der Verfasser, der es heute bedauert, dass er einst zu wenig Brücken gebaut habe und seine Sprachlosigkeit in jener Zeit ebenso bedauernswert erachte, wie das ignorante Verhalten seiner Nächsten.

Angehörige von Depressionskranken benötigten Wissen und Mut. Leider überwögen trotz aller Informationskampagnen noch immer Scham- und Schuldgefühle. Depressionen sollten behandelt werden. Die Behandlung braucht aber Zeit.



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